Das war die Sommersession 2023
Was für eine grossartige Stimmung letzten Mittwoch vor dem Bundeshaus! Wir führten im Nationalrat bis um 19 Uhr eine intensive Debatte zur Gleichstellung und gingen dann zusammen mit unserer Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider auf den Bundeshausplatz. Wir waren – und sind es immer noch – überwältigt von den Tausenden Frauen und solidarischen Männern, die am feministischen Streik teilgenommen haben und laut klar machten: Gleichstellung jetzt!
Bürgerliche bekommen kalte Füsse bei Rentenaltererhöhung
Die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen will das Rentenalter für beide Geschlechter auf 66 Jahre erhöhen und anschliessend an die durchschnittliche Lebenserwartung koppeln. Ein unsägliches Hin und Her in der Sommersession um einen Gegegenvorschlag hat deutlich gezeigt, was die Absicht von SVP und GLP ist, nämlich die gleiche wie diejenige der FDP: Das Rentenalter erhöhen (siehe Votum von Mattea Meyer).
Zuerst stimmte die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat für einen Gegenvorschlag. Dann bekam die SVP kalte Füsse und verlangte nochmals eine Abstimmung. Beim zweiten Mal lehnten sie dann einen Gegenvorschlag ab. Offenbar wollen sie kurz vor den Wahlen keine Diskussion über eine Rentenaltererhöhung. Es bleibt zu befürchten, dass die Bürgerlichen nach den Wahlen versuchen werden, eine Erhöhung durchzudrücken. Dagegen hilft nur eine starke SP!
Eine künstliche Intelligenz im Interesse der Menschen und nicht der Konzerne
Die Entwicklung künstlicher Intelligenz schreitet schnell voran. Innert Sekunden schaffen öffentlich zugängliche Tools wie ChatGPT, Midjourney oder Soundraw Texte, Bilder oder Musikstücke. Sie werden zum Lernen benutzt, erleichtern Arbeitsprozesse, schaffen Kunst.
Diese Entwicklungen werfen wichtige Fragen auf: Was heisst es für die Zukunft von politischer Meinungsbildung und Mitsprache, wenn fast ohne Aufwand Propaganda in unbegrenzten Mengen getextet werden kann? Welchen Effekt haben die Algorithmen von Plattformen auf die Informationen, die Menschen konsumieren? Welche Auswirkungen hat der Einsatz von grossen Sprach- und Bildmodellen wie ChatGPT oder Midjourney für die Arbeitswelt, etwa für Berufe im Kreativbereich?
Was ist mit Urheberrechten, was mit dem Datenschutz, was mit der Rechenschaftspflicht? Wie lassen sich Diskriminierungen verhindern, wenn eine künstliche Intelligenz mit Bias in Rekrutierungsprozessen eingesetzt wird? Wie kann man sich gegen Entscheidungen von KI-Systemen zur Wehr setzen, etwa bei der Job- oder Kreditvergabe? Welche Personen und Organisationen erschaffen, bestimmen und kontrollieren die eingesetzten Systeme, Algorithmen und Metriken? Wie lässt sich der enorm hohe Verbrauch von KI-Systemen an Strom und Ressourcen begrenzen?
Gleichzeitig haben algorithmische Systeme auch ein enormes Potential: Wie kann dieses dazu genutzt werden, um konkrete Verbesserungen für die Gesellschaft zu erzielen – etwa, um den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen?
Diese Fragen suchen auch nach politischen Antworten. In der letzten Woche hat das EU-Parlament den sogenannten «AI-Act», ein Regelwerk für den Umgang mit künstlicher Intelligenz beschlossen. Der Europarat arbeitet im Moment mit Schweizer Beteiligung ebenfalls ein entsprechendes Regelwerk aus. Auch die SP hat sich mit diesen Fragestellungen auseinandergesetzt und unter Federführung von Min Li Marti ein Grundsatzpapier zur KI-Regulierung verabschiedet und auch Vorstösse dazu eingereicht (Artikel dazu im Tages-Anzeiger).
Zentral sind dabei unter anderem eine Deklarationspflicht, eine der europäischen Union äquivalente Gesetzgebung, die Schaffung eines Kompetenzzentrums und Massnahmen zur Schliessung des digitalen Grabens. Technologische Entwicklungen sind keine Naturgewalt, es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass diese Entwicklungen den Menschen und der Gesellschaft zugutekommen und nicht in erster Linie die Profite von Unternehmen mehren.
Krieg in der Ukraine
Der schreckliche Krieg gegen die Ukraine, der seit bald eineinhalb Jahre andauert, beschäftigte auch diese Session. Am Donnerstag richtete sich der ukrainische Präsident Selenskyj in einer bewegenden Videoansprache persönlich an die Vereinigte Bundesversammlung. In eindrücklichen Worten schilderte er das Leid der ukrainischen Bevölkerung in diesem Angriffskrieg. Während die SVP-Fraktion der Rede fast geschlossen fern blieb und damit ihre Komplizenschaft mit dem Putin-Regime einmal mehr unterstrich, bekundeten alle anderen Fraktionen mit stehenden Ovationen ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk.
Diese Bekundung passt allerdings gar nicht zum Abstimmungsverhalten von FDP und Mitte. Der Nationalrat lehnte dank der bürgerlichen Mehrheit ein Unterstützungsgesetz für die Ukraine im Umfang von 5 Milliarden Franken über die nächsten zehn Jahre für die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau ab. Und der Ständerat lehnte die Schaffung einer Taskforce für Aufspürung russischer Oligarchengelder ab. Immerhin stimmte der Nationalrat dem Ausserdienststellung von 25 Leopard-Panzern zu, die so an Deutschland zurückgegeben werden können, um die Lücken zu schliessen, die durch die deutschen Panzer-Lieferungen an die Ukraine entstanden sind.
Für uns ist klar: Die Schweiz kann und muss mehr tun, um diesen Krieg zu beenden und die ukrainische Bevölkerung zu unterstützen. Dafür muss die Kriegsfinanzierung über den Schweizer Finanz- und Rohstoffhandelsplatz endlich konsequent gestoppt und die humanitäre Hilfe, wie etwa über ein grosses Programm zur Mienenräumung, ausgebaut werden.
PUK muss Transparenz schaffen
Am Schluss herrschte grosse Einigkeit: Der Nationalrat beschloss einstimmig die Einsetzung einer PUK zum CS-Debakel, der Ständerat mit grosser Mehrheit. Für die SP nehmen Roger Nordmann, der dazu das Fraktionspräsidium abgeben wird, und Daniel Jositsch Einsitz in der PUK. Dass es so weit kam, war alles andere als klar und ist hauptsächlich dem Druck der SP zu verdanken. Wir haben in allen Gremien darauf hingewirkt, dass das unsägliche CS-Debakel mit dem schärfsten Instrument des Parlaments – einer parlamentarischen Untersuchungskommission – untersucht wird.
Die PUK wird auch die Rolle des ehemaligen Finanzministers untersuchen müssen, der noch Ende 2022 lautstark verkündet hat, man müsse die CS jetzt nur machen lassen – obwohl seit Langem die Krisenstäbe aktiv waren. Nach der erneuten milliardenschweren Bankenrettung muss die PUK Transparenz schaffen und aufklären, wie es dazu kommen konnte, damit sich ein solches Debakel nicht mehr wiederholt, wie Daniel Jositsch im Ständerat betonte.
Neben der Aufarbeitung setzten wir uns mit aller Kraft dafür ein, dass das Risiko für die Steuerzahler:innen reduziert und der Finanz- und Bankensektor endlich stärker reguliert wird, wie das Céline Widmer beispielsweise gegenüber der internationalen Presse ausführte. In den nächsten Monaten wird uns als erstes die Überführung der CS-Notverordnung in ordentliches Recht beschäftigen.
Eigenmietwert: Privilegien für Superreiche
Der Nationalrat hat eine Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts beraten. Leider hat sich Mitte-Rechts nicht zu einem reinen Systemwechsel bei der Eigenmietwertbesteuerung durchringen können und diverse Privilegien für Superreiche in der Vorlage gelassen.
Mietende sind gegenüber Wohneigentümer:innen steuerlich ohnehin zigfach und massiv benachteiligt. Die Vorlage bringt eine zusätzliche verfassungswidrige Besserstellung der Wohneigentümer:innen, die jährlich rund 2 Milliarden Franken Steuerausfälle bringt, wie Jacqueline Badran im Rat ausführte. Dies lehnt die Fraktion ab. Sie hat dafür einen Vorstoss eingereicht, wie Härtefälle im Alter verfassungskonform vermieden werden können.
Angriff auf Zivildienst vorerst abgewendet
Ein Angriff auf den Zivildienst konnte zum Glück vorerst abgewendet wendet. Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates reichte eine Motion ein, die den sofortigen Zusammenschluss von Zivilschutz und Zivildienst im VBS fordert. Dieser unüberlegte Schnellschuss kommt zur Unzeit, denn der Bundesrat ist eh gerade dabei, das Dienstpflichtsystem zu überarbeiten und lehnt die Motion daher auch ab.
Die Zusammenlegung von Zivildienst und Zivilschutz macht keinen Sinn, da sie unterschiedliche Aufgabenbereiche haben. Der Zivilschutz hat das Ziel, sich auf seltene Ereignisse und Katastrophen vorzubereiten und bei einem Eintreten von diesen schnell und kompetent Abhilfe zu schaffen. Demgegenüber ist der Zivildienst im Sozial-, Gesundheits- und Umweltbereich tätig, wo er tagtäglich einen Mehrwert für die Gesellschaft erbringt. Die Idee hinter der Motion ist denn auch klar: Sie ist ein weiterer Versuch der Bürgerlichen, den Zivildienst zu schwächen (siehe das Votum von Priska Seiler Graf dazu). Zum Glück hat die Mitte gekehrt, die Motion wird abgelehnt.
Migrationspolitik: Solidarität statt Hetze
Die SVP versucht einmal mehr, Wahlkampf auf dem Buckel der Schwächsten zu machen. Aktuell versucht sie, ein «Asylchaos» herbeizureden und Hass gegen Flüchtlinge zu schüren. In der Sommersession machten sich FDP und Mitte zu Steigbügelhaltern der SVP: Trotz intensiver Kompromisssuche lehnte die bürgerliche Mehrheit im Ständerat einen dringend notwendigen Zusatzkredit für temporäre Notunterkünfte für Asylsuchende ab. Und dies, obwohl sich die Kantone ganz klar dafür ausgesprochen haben.
Das ist brandgefährlich! Die SVP will ja gerade ein unkoordiniertes Asylwesen, um danach gegen Flüchtlinge Stimmung zu machen. Die aktuellen Herausforderungen im Bereich der Migration erfordern landesweit koordinierte Antworten. Genau dafür setzt sich unsere Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ein – und die Bürgerlichen sabotieren es.
Zum Schluss aber gibt es aber auch noch über einen grossartigen Erfolg der SP in der Migrationspolitik zu berichten: Der Ständerat hat letzte Woche der parlamentarischen Initiative «Armut ist kein Verbrechen» von Samira Marti zugestimmt. Der SP-Vorstoss erreicht, dass Personen ohne Schweizer Pass bei legalem Bezug von Sozialhilfe keine Ausweisung mehr droht. Eine breite Allianz von über 80 Organisationen hat das Anliegen unterstützt. Wir freuen uns sehr über diesen wichtigen Erfolg für Menschen ohne Schweizer Pass!