Weshalb der Mittelstand bei der SP besser aufgehoben

Der Mittelstand leidet. Es macht sich ein Gefühl des Treten-an-Orts breit. «Ich leiste immer mehr, finde mich mit zunehmender Job-Unsicherheit ab, stehe bald 24 Stunden für den Arbeitgeber zur Verfügung – und was habe ich davon? Am Ende des Monats bleibt mir praktisch nichts.»

Wir kennen diese Schilderungen, weil wir sie oft selber formulieren, sei es als Journalistin, als Lehrer, als Pflegefachfrau als Polier oder als Architektin. (Paare mit Kindern: mehr als 7’100 und weniger als 13’600 Franken). Wenn man aus guten Gründen auch noch die Frauen und Männer in qualifizierten Ausbildungen dazu nimmt, umfasst der Mittelstand gut zwei Drittel der Gesellschaft.

 

Wie kann es bei dieser Dominanz dazu kommen, dass die mittleren Einkommen in den letzten Jahren verloren haben? Nun, die Antwort ist simpel: Ein grosser Teil des Mittelstandes hat entgegen ihren Interessen ihr Vertrauen den rechtsbürgerlichen Parteien geschenkt, obwohl deren Politik letztlich zu einer Schwächung des Mittelstandes führt. Stimmt: Das ist eine Behauptung. Aber man kann sie auch belegen:

 

Die zentralen Ausgaben eines Haushalts sind Miete, Steuern, Sozialversicherungsbeiträge (dabei vor allem Krankenkassenprämien) sowie die Kinderbetreuungskosten. Sie entscheiden letztlich darüber, was den Menschen am Schluss des Monats im Portemonnaie bleibt. Und in all diesen Bereichen unterschiedet sich die Politik der SP von jener der rechtsbürgerlichen, indem die SP die mittleren und unteren Einkommensgruppen stärken, während die rechtsbügerlichen Parteien die Superreichen entlasten wollen.

 

 

Nehmen wir als Beispiel die Krankenkassenprämien: Sie machen bei den mittleren Einkommen zwischen 10 und 15 Prozent des Haushaltsbudgets aus. Bei den Reichen hingegen ist die Belastung im tiefen einstelligen Prozentbereich. Und so stellt eine Ecoplanstudie schon 2004 fest: „Die progressive Wirkung der Steuern wird durch die degressive Wirkung der Sozialversicherungsbeiträge neutralisiert.“ Während die rechtsbürgerlichen die Steuern für die obersten Einkommen analog den Republikanern in den USA ständig senken, steigen die Krankenkassenprämien (und viele weitere unausweichliche Lebenskosten) jährlich an. Unter dem Strich verliert bei dieser Politik der Mittelstand: Von den Steuersenkungen sehen sie höchstens ein paar Brosamen, während die Erhöhungen aller pro Kopf-Ausgaben direkt aufs Haushaltsbudget durchschlägt. Auch die Credit Suisse stellt in einer ihrer Studien fest: „Die Lebenskosten sind für die gesellschaftliche Mitte deutlich wichtiger als die Steuerbelastung.“ Bedrohlich ist dieser Mechanismus vor allem für den unteren Mittelstand, der gerade so viel verdient, dass er keine staatliche Unterstützung mehr erhält, aber zu wenig, um die ständigen Mehrbelastungen wegstecken zu können.

 

 

Es ist höchste Zeit, dass die Mitte sich politisch dort hinwendet, wo ihre Interessen am besten vertreten werden, zur SP. So fordert – um beim Beispiel der Krankenkassenprämien zu bleiben – die SP 1. eine Senkung der Gesundheitskosten durch Einsparungen, bei jenen, die im Gesundheitswesen das grosse Geld machen (Medikamente, Spitzenmedizin, Versicherungen, Privatspitäler) und 2. eine gerechtere Finanzierung, indem die reichen, breiten Schultern etwas mehr tragen müssten.

 

 

Wie sagte jüngst der erzkonservative Charles Moore im lesenswerten Artikel von Frank Schirrmacher  «Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat. Die Stärke der Analyse der Linken liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern.»